Historischer Abriss der Kurpfalz
Johann Baptist Homann (1664 – 1724)
Johann Christoph Homann (1703 – 1730)
Exactissima Palatinatus ad Rhenum
Kol. Kupferstich, Nürnberg nach 1729
548×471 mm
Die Karte wurde schon vor 1712 gestochen. In der Folge wurde sie immer wieder von den Verlagserben neu aufgelegt, wie das Druckprivileg in der Titelkartusche explizit ausweist. Auf diese Weise avancierte sie zu der am häufigsten gedruckten Pfalzkarte im 18. Jahrhundert. Zugleich wird deutlich, wie stark Homann von den Amsterdamer Kupferstechern beeinflusst wurde. Nach wie vor bestimmten die im Wesentlichen auf Mercator zurückgehenden Vorlagen des 17. Jahrhunderts das Kartenbild. Erstaunlicherweise findet sich hier ebenso wie auch auf der Mainz-Karte das fiktive „Winom“ bei Wiesloch wieder. (HRS 72. 1–2, Pr 13)
Die Kurpfalz war ein Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reichs, das aus der Pfalzgrafschaft Lothringen hervorging und sich seit 1214 im Besitz der Familie der Wittelsbacher befand. Carl Theodor (Kurfürst von 1742 bis 1799) trat nach dem Aussterben der bayerischen Wittelsbacher im Jahr 1777 das Erbe als Herzog und Kurfürst von Bayern an. Damit entstand ein wittelsbachischer Gesamtstaat Kurpfalz-Bayern.
Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts liegt die Kurpfalz an Ober- und Mittelrhein, zwischen Mosel und Kraichgau, mit dem Kerngebiet am unteren Neckar und den Hauptstädten Heidelberg und ab 1720 Mannheim. Das kurpfälzische Staatsgebiet war nicht zusammenhängend, sondern ein für die damalige Zeit typischer „Flickenteppich“. Ehemals kurpfälzische Gebiete liegen heute in den deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern (Obere Pfalz = Oberpfalz, Pfalz-Neuburg), Saarland sowie in den heute zu Frankreich gehörenden Départements Bas-Rhin und Moselle.
Die Kurpfalz zählte zu den bedeutendsten weltlichen Territorien des Deutschen Reichs. Die Pfalzgrafen, die „Kurfürsten bei Rhein“, erhielten mit der schriftlichen Fixierung der sieben Kurfürsten 1356 in der Goldenen Bulle dauerhaft eine herausragende Stellung im Reich. Dabei wurde ihnen neben dem Recht zur Königswahl („Kür“) das Amt des Reichsvikars für die Gebiete fränkischen und schwäbischen Rechts und das Amt des Erztruchsessen des Reichs übertragen. In dieser Zeit wurde die Bezeichnung „Kurpfalz“ allmählich zum Namen für die Territorien des Kurfürsten von der Pfalz bzw. für die Länder der mit ihm verwandten Nebenlinien.
Im konfessionellen Zeitalter stieg die Kurpfalz zu einer der aktivsten und führenden protestantischen Mächte im Reich auf. Kurfürst Ottheinrich (1556-59) führte die Reformation in der Kurpfalz ein. Seine prächtige Bibliothek – die Bibliotheca Palatina – ist ebenso bekannt wie der unter ihm entstandene Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses, der bedeutendste Renaissancebau im deutschen Südwesten.
Kurfürst Friedrich V. erlangte sogar kurzzeitig die böhmische Königskrone. Sein gescheitertes „böhmisches Abenteuer“ löste den Dreißigjährigen Krieg aus, was auch den Wendepunkt der Geschichte der Kurpfalz markierte. Sie geriet für Jahrzehnte unter fremde Herrschaft und wurde als häufiger Kriegsschauplatz immer wieder geplündert und entvölkert. Die angestammte Herrschaft der Pfälzer Wittelsbacher wurde zwar im Westfälischen Frieden von 1648 wiederhergestellt, die Kurpfalz konnte aber an ihre frühere Bedeutung nie mehr anknüpfen.
Unter Carl Theodor erlebte die Kurpfalz eine Blütezeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Doch 1777, mit der Zusammenführung gemäß dem Hausvertrag von Pavia (1329) zum Kurfürstentum Pfalz-Bayern, musste der Wittelsbacher seine Residenz nach München verlegen und die Kurpfalz geriet in der Folge in die Wirren der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege.
Frankreich annektierte 1798 die linksrheinischen Gebiete der Kurpfalz und Napoleon Bonaparte löste sie 1803 auf. Dies markierte das Ende einer Ära für die Kurpfalz und bedeutete das Ende der Herrschaft der Kurfürsten aus dem Haus Wittelsbach.
Im Reichsdeputationshauptschluss 1803 und nach dem Wiener Kongress 1815 wurden die Territorien der Kurpfalz zwischen Baden, Bayern, Hessen und Preußen aufgeteilt. Die Aufteilung der kurpfälzischen Kernlande in einen links- und einen rechtsrheinischen Teil bestehen seitdem fort und wurde durch die Gründung der Bundesländer Rheinland-Pfalz (1946) und Baden-Württemberg (1952) verfestigt.
Territoriale Entwicklung der Kurpfalz von 1156 bis 1792
Quelle: Historischer Atlas von Baden-Württemberg
Autor: Meinrad Schaab